Wintringer Kapelle
Die Reste der im Zentrum des Wintringer Hofes erhaltenen ehemaligen Prioratskirche von Wintringen – die Wintringer Kapelle – wurde zwischen 1995 und 2003 behutsam Instand gesetzt. Im Sanierungsprozess entwickelte sich die Idee, die Besonderheiten des mittelalterlichen Bauwerks, seine poetische Kraft, seine wandelvolle Geschichte und seine Bezüge zur Kulturlandschaft in der er eingebettet ist, für die modellhafte Entwicklung eines kulturellen Ortes der Gegenwart in der Region Saarbrücken zu nutzen.
Der ursprünglich sakral geprägte Raum sollte jedoch immer auch als ein Ort der Kontemplation, der Stille, des Rückzugs und der Begegnung bewahrt bleiben.
Öffnungszeiten
Die Wintringer Kapelle kann während der Öffnungszeiten des Landgasthauses bzw. des Hofladens besichtigt werden. Der Schlüssel ist dort jeweils erhältlich. Für Gruppen ist eine Voranmeldung erforderlich.
Landgasthaus
Dienstag – Samstag: 17:30 bis 22:00 Uhr
Sonntag: 11:30 bis 15:00 Uhr
Tel. 06805 / 902-500
Hofladen
Montag – Freitag: 9:00 Uhr – 19:00 Uhr
Samstag: 9:00 Uhr – 17:00 Uhr
Tel. 06805 / 902-412
Bitte informieren Sie sich vorab über eventuelle Änderungen.
Baudenkmal
Nach den 1995–1997 durchgeführten Forschungsmaßnahmen lässt sich heute ein genaueres Bild der bislang unklaren Baugestalt und Baugeschichte dieses Ortes nachzeichnen. In ihrem heutigen Erscheinungsbild stellt die „Kapelle“ eine reduzierte Anlage dar, also lediglich die Ostteile einer weit größeren ehemaligen Prioratskirche, die in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. neu errichtet wurde.
An den heute noch sichtbaren Bau, bestehend aus einem einschiffigen Chor mit polygonaler Apsis, schloss ursprünglich, wie die ergrabenen Mauerreste zeigen, ein dreischiffiges Langhaus an. Es entstand zeitgleich mit dem Chor in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. und besaß auf annähernd quadratischer Grundfläche eine Länge von drei Jochen. Die westlich vorgelagerten Teile des Vorgängerbaus aus dem 11./12. Jh., einem einfachen Rechtecksaal, wurden vermutlich als eine Art Vorhalle integriert. Dessen östliche Teile hingegen, die im 13./14. Jh. gotisch als kleiner Rechteckchor und einseitig eingefügtes Seitenschiff erneuert worden waren, wurden durch den Neubau des 15. Jhs. überbaut.
Fundamentreste, u. a. auch von Gräbern lassen auf einen größeren Rechteckbau, vermutl. eine romanische Saalkirche, schließen.
Die „Saalkirche“ erhält einen Rechteckchor an der Ostseite, der Saal wird zu einem zweischiffigen Langhaus umgebaut.
Vollständiger Neubau einer spätgotischen Kirchenanlage aus dreischiffigem Langhaus von drei Jochen mit Chor und polygonal geschlossener Apsis. Erhalten bleiben auch die älteren Westteile, die als eine Art Vorkirche mit der neuen Anlage räumlich verbunden werden.
Nach der Plünderung im Jahre 1525 wird die Anlage um 1635 zerstört und dem Verfall preisgegeben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg werden nur Chor und östliches Mittelschiffjoch des Langhauses als „Kapelle“ erhalten.
Trotz eingreifender Veränderungen, insbesondere nach einer Zerstörung der Anlage um 1635 und einem kapellenähnlichen Wiederaufbau im 17./18. Jh., weist das heutige Baugefüge noch viele Spuren der qualitätsvollen Architektur und reichen Ausstattung des 15. Jhs. auf. Dazu zählen beispielsweise die in der Apsis vorhandenen Sakramentnischen, Figurenkonsolen oder ein an der Wand angebrachtes Kalksteinrelief, das vermutlich in das 16. Jh. datiert. Zur ursprünglichen Ausstattung gehörte auch eine spätgotische Holzskulptur, die Wintringer Madonna, die heute im Museum in der Schlosskirche, Saarbrücken ausgestellt wird. Von besonderer Bedeutung ist der wohl einzigartige Zyklus von acht spätgotischen Wasserschlagfiguren an den Strebepfeilern.
Ein Priorat der Abtei Wadgassen
Eine Kontinuität von der Römerzeit bis ins Hochmittelalter und eine gesicherte frühmittelalterliche Entstehung ließen sich an der Stelle der jetzigen Kapelle nicht nachweisen. Sicher hingegen erscheint aufgrund von zuweisbaren Bestattungen, dass der ältere Vorgängerbau (11./12. Jh.), zumindest sekundär, als kirchlicher Kultbau genutzt wurde. Die Umbaumaßnahme mit kleinem Rechteckchor kann aufgrund der urkundlichen Ersterwähnung von Wintringen um 1320 in Urkunden der Prämonstratenserabtei von Wadgassen mit der Übernahme der Siedlungsstelle in Verbindung gebracht werden.
Die spätmittelalterliche Neubaumaßnahme erfolgte wohl als Ausbau dieser Wadgassener Außenstelle. Sie ist dem Rang und der Funktion nach vergleichbar mit einem „Priorat“. Die qualitätsvolle Bauausführung der nunmehr als Wintringer „Kirche“ zu bezeichnenden Anlage lässt auf eine repräsentative Aufgabe – etwa in Konkurrenz zu dem benachbarten Gräfinthal oder dem von Tholey abhängigen, nicht weit entfernten Zettingen – schließen.
Wintringen – eine Pilgerstätte
Die archäologischen Untersuchungen ergaben Aufschlüsse über eine ungewöhnliche profane Nutzung, im angebauten Kirchschiff auf der Nordseite. In diesem Bereich stand ein Kachelofen (15. Jh.). Hier wurden auch zahlreiche Keramikscherben gefunden. Es handelt sich um eine spätgotische und frühneuzeitliche Gebrauchskeramik. Offensichtlich wurde dieser abgetrennte und beheizbare Raum als Küche, vielleicht auch als eine Art Pilgerstube genutzt, was sich mit der Überlieferung einer Wallfahrt und der Notwendigkeit zur Versorgung von Pilgern in Verbindung bringen lässt.
Auf den Besuch von Pilgern sind auch zwei besondere Fundstücke zurückzuführen. Dazu zählt u. a. ein noch spätgotisch, aus Kornelimünster bekanntes und von dort vermutlich stammendes Pilgerzeichen sowie das Fragment einer kleinen Terrakottafigur, ein Corpus Christi, vergleichbar einem Fund aus dem Mithras-Heiligtum des Halbergs von Saarbrücken. Letztlich stellt auch die Darstellung einer Jakobsmuschel in dem in der Kapelle aufgehängten Kalksteinrelief einen Bezug zu einer Pilgerstätte bzw. eines Wallfahrtsortes dar.
Der erhaltene Rest der Prioratskirche wurde im 19. Jh. als Schafstall und Scheune genutzt, ein Brand zerstörte 1905 die oberen Partien, die offene Ruine zerfiel zunehmends.
Bei den archäologischen Untersuchungen in Wintringen ließen sich etwa 30 Gräber feststellen, die im Innenbereich der jetzigen Kapelle und in den zugehörigen ergrabenen Bauteilen sowie in den beiden Vorgängerbauten angelegt worden sind. Die zeitliche Einstufung der Gräber in Bezug auf die Bauperioden ergibt, dass etwa die Hälfte in die Zeit der spätgotischen Anlage datiert, etwa sechs Bestattungen können jeweils dem jüngeren und dem älteren Vorgängerbau zugeordnet werden, der Rest blieb unbestimmbar.
Literaturhinweis: Diese kurze Einführung ist ein Auszug aus der Broschüre „Die Wintringer Kapelle bei Kleinblittersdorf“ (Peter Michael Lupp, Emanuel Roth, 2003). Die reichhaltig illustrierte Broschüre bietet noch weitere Informationen zur Baugeschichte und den Ergebnissen der Bauforschungsmaßnahmen.