EX VOTO – I Believe in Miracles
Vera LoosDie Künstlerin Vera Loos bezieht sich mit ihrer Ausstellung „EX VOTO – I Believe in Miracles“ am KulturOrt Wintringer Kapelle im Jahresverlauf 2023 auf die sogenannten Votivgaben oder Votivtafeln (abgeleitet aus dem mittelalterlichen Begriff vovere = „geloben“), die bis heute an den Stätten der Heiligenverehrung hinterlassen werden.
Diese dienen als Gelöbnis oder auch als Zeichen des Dankes für eine ersehnte oder unvorhersehbare Rettung aus einer Notlage. Votivbilder sind zumeist mit einem schriftlichen Hinweis versehen, der als ex voto bezeichnet wird (lat.: wegen eines Gelübdes).
Votivtafeln hatten sicher bereits in der mittelalterlichen Wintringer Prioratskirche und späteren Kapelle in vielfältiger Ausführung einen Platz. Leider haben sich keine dieser Artefakte erhalten.
Die Votivtafeln von Vera Loss möchten uns lehren, dass es möglich ist, scheinbar untergegangene Rituale und Sendungen eines ehemals sakralen Ortes wieder zu aktivieren und zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu vermitteln.
Die Installation besteht aus vier einzelnen Werken, die an ausgewählten Positionen zu sehen sind und miteinander in Bezug stehen.
I. Lebenswelten
Im Bogenfeld des vermauerten Westportals ist ein quadratisches Wandbild zu sehen, das aus 16 Einzelmotiven besteht (30 x 30 cm, Acryl auf Holz).
Jedes der Motive basiert auf einem Titel, den Vera Loos frei nach Elias Canettis „Der Ohrenzeuge“ gewählt hat. Alle Motive spiegeln im weitesten Sinn Lebenswelten innerhalb der gegenwärtigen säkularen Gesellschaft.
II. Liebe und Schmerz
Neben dem gotischen Bogensegment des vermauerten Portals zur Sakristei ist ein rotes Quadrat platziert.
Das Farbfeld thematisiert den Nahraum zwischen Liebe und Schmerz, der in allen Motiven der Künstlerin mitschwingt. Sie möchte damit zum Ausdruck bringen, dass der Schmerz zum Wesen der Liebe gehört und riskiert werden muss.
Erst dadurch ist es möglich, sich zu öffnen und zu wahrer Liebe gegenüber den Menschen, der Natur und wohl auch dem Göttlichen überhaupt fähig zu werden.
III. Onkel P. lernt fliegen
Rechts neben dem Ostfenster des ehemaligen Chors, über den Wandkonsolen, auf denen einst die Heiligenfiguren standen, wird ein Tafelbild gezeigt (180 x 120 cm, Acryl auf Leinwand). Diese Positionierung erinnert an die mittelalterlichen Wandbilder, die mit biblischen Motiven in Deckengemälden und an den Wänden der gotischen Kirchen die Besucher in ihren Bann ziehen. Fragmente solcher Wandmalereien wurden bei den archäologischen Untersuchungen vor Ort entdeckt.
Das Tafelbild zeigt einen Mann, der vor einem scheinbar unüberwindlichen Abgrund steht. Der Mann scheint sich in einer von Grund auf existentiellen Situation zu befinden, an einem Scheidepunkt, an dem er eine Wahl treffen muss:
Resignation? Umkehr? Stillstand? Völlige Richtungsänderung? Abkehr von seinem bisherigen Leben? Der Titel des Bildes „Onkel P. lernt fliegen“ will in dieser schwierigen Lebenslage Zuversicht vermitteln. Er will sagen, dass wir Menschen gehalten sind, und dass im Leben durchaus Wunder geschehen.
Er entstammt einer Novelle des israelischen Schriftstellers Ja‘akov Shabtai, die von einem Mann erzählt, der sich in hohem Alter verliebt und sich auf einmal selbst wahrnimmt. Und indem er sich selbst zu lieben beginnt, die Schönheit der Schöpfung erkennt... Und obwohl die Liebe in der Geschichte nicht gelebt wird, hat er durch sie gelernt, was für ein Geschenk die pure Existenz ist, wie wundersam und kostbar die Natur, die uns umgibt, wie wundersam das Leben an sich...
Onkel P. steht an der Schwelle und hebt ab.
Vera Loos über ihr Werk
IV. Ex voto – Rainer Maria Rilke
Neben dem Eingang der Kapelle werden auf einem Postament zwei Gedichtbände von Rainer Maria Rilke gezeigt, deren Buchdeckel von Vera Loos bemalt wurden. Die Bilder beziehen sich auf das von ihm verfasste, beigefügte Gedicht „Ex voto“, dessen poetische Kraft das Thema der Installation durchdringt.
Die Buchreihe des Insel Verlags mit den auffällig gestalteten Einbänden gibt es seit 1912. Schon ihr Gründer Anton Kippenberg ließ einige Ausgaben von Künstlern wie Max Slevogt oder Henry van de Velde persönlich gestalten. Rainer Maria Rilke war der wichtigste Autor des Hauses, dem Band 1 der durchnummerierten und inzwischen mehr als 2000 Bände umfassenden Reihe gewidmet war.
Bezugnehmend auf den Ort hat die Künstlerin einen der Buchdeckel mit einem Pilger und dem ihm den Weg zur Erkenntnis weisenden Stern bemalt. Das Motiv erinnert an die Suchbewegung der mittelalterlichen Jakobspilger, die damals der Milchstraße als kosmischem Wegweiser nach Santiago de Compostela gefolgt sind. Weitere Hintergründe: www.sternenweg.net
In Anlehnung an das Thema der Ausstellung zeigt der zweite Buchdeckel einen Mann, der demütig die Arme hebt: ECCE HOMO – „SIEHE, DEN MENSCHEN“.
Eröffnung
Impressionen von der Vernissage zur Eröffnung der Ausstellung.
Kurzvita Vera Loos
1955 | Geboren in Saarlouis |
Studium der angewandten Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität des Saarlandes | |
ab 1988 | Übersetzerin hebräischer Literatur und freischaffende Malerin |
Vorstandsmitglied des BBK Saarland Mitglied des Saarländischen Künstlerhauses Mitglied der Kunstkommission der Stadt Saarbrücken Mitglied des Kunstbeirats des Saarlandes Kuratorin des Kulturvereins Burbach Kuratorin des Historischen Rathauses Kleinblittersdorf vertreten in privaten und öffentlichen Sammlungen im In- und Ausland |
Ausstellungen
2023 | SaarArt, Stadtgalerie Saarbrücken |
2022 | Imagine, Gemeinschaftsausstellung, Centre Culturel St. Max, Nancy |
2021 | There’s more to the picture than meets the eye…, Einzelausstellung, Kulturverein Burbach, Saarbrücken |
2020 | Nie verließ ich gerne den Hügelring, Gemeinschaftsausstellung des BBK Saarland, Bosener Mühle, Sommersalon, Bosen |
2019 | Die Kunst verbindet alle Welt, Gemeinschaftsausstellung, Pasinger Kulturfabrik, München |
2018 | Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, Gemeinschaftsausstellung des BBK Saarland, Saarbrücken |
2017 | Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, Gemeinschaftsausstellung Pasinger Fabrik, München |
2017 | Einzelausstellung, Union Stiftung, Saarbrücken |
2017 | Gemeinschaftsausstellung, Cloître des Récollets, Metz |
2016 | Einzelausstellung, Scheer Tower, Campus der Universität des Saarlandes, Saarbrücken |
2016 | Menschliche Verlorenheit, Gemeinschaftsausstellung, Altes Rathaus Saarwellingen, Saarwellingen |
2016 | Gemeinschaftsausstellung des BBK Saarland, Arthouse Neunkirchen, Neunkirchen |
2015 | Something is happening here but I don‘t know what it is, Einzelausstellung, Schloss Dagstuhl, Wadern |
2015 | China International Watercolor Biennial Exhibition, Biennale, Qingdao Art Museum, Qingdao City, VR China |
2014 | La Mandroseraie, Gemeinschaftsausstellung, Kunstverein Mandray, Frankreich |
2014 | Palazzo Borgo, temporärer Kunstraum im Viertel, Saarbrücken |
2013 | LichtBild, Gemeinschaftsausstellung, Saarbrücken |
2012 | Gemälde, Skulpturen, Installationen im Schloss Quint, Gemeinschaftsausstellung, Schloss Quint, Trier |
Kontakt
Vera Loos, Guerickestraße 32, D-66123 Saarbrücken
Atelier: Am Homburg 3, 66123 Saarbrücken
Tel. 0178 347 99 70, vera@veraloos.de
www.veraloos.de