Mensch – Heil oder Dorn der Schöp­fung

Martin Steinert
François Schwamborn
Per Annum 2019 Cover
Gierend, mehrend haben wir machtvoll das Maß für das Ewige verloren. In der Schattenwelt nähren die Dornen der Menschheitskrone den Schmerz der Gaia vor dem drohenden Abschied voneinander.   Wer maßlos nimmt, der leert, setzt die Dornen tief unter ihre bewahrende Haut, die der Menschheit Zukunft schenkt.   Flaschenpost auf den steigenden Weltmeeren: Wer vermisst den Weltenkreis am Ende des Wachstums neu? Wer schürft im Chaos der Weltordnung tief bis an den Seelengrund? Wer würdigt alles Leben, als wäre es das Eigene? Wer erdet die Pole in den Kreislauf? Wer sät und hütet natürliches Wachstum bis es Früchte trägt und heilt?   Wer heilt, entdornt das schmerzende Geflecht der Menschheitskrone, setzt weiße Segel im Wald der tausend Bäume, zitiert die Mächte vor die Demut, bis an jene Schwelle hinter der das Licht der Einheit scheint: Hüte den Schatz der Weisheit, sorge für das gemeinsame Haus. Das Gebet hebt, vereint die Götter auf das Eine über den Dämonen.   Silberstreifen am Horizont. Du bist gemeint. Eine zweite Erde gibt es nicht!   Peter Michael Lupp
Mensch – Heil oder Dorn der Schöpfung

Eine künstlerische Prozess­arbeit über die Zukunft der Erde

Anlässlich der Passionsspiele 2020 in Auersmacher haben der Bildhauer Martin Steinert und der Lichtkünstler François Schwamborn unter dem Titel: „Mensch – Heil oder Dorn der Schöpfung” auf das Symbol der Dornenkrone als Leidenswerkzeug Jesu Christi im Kontext des aktuellen ethischen und ökologischen Chaos in der Weltordnung reagiert.

Im Kirchenraum scheinbar schwebend über dem Chor, dem Ort der Wandlung, hat Martin Steinert in wochenlanger Arbeit aus unzähligen Stäben aus regionalem Holzvorkommen ein überdimensionales Zitat einer Dornenkrone geschaffen. Diese hölzerne „Dornenkrone der Menschheit” wirkt jedoch nicht für sich alleine, sie wird zur Projektionsfläche einer Lichtinstallation des Lichtkünstlers François Schwamborn. Dem Künstler geht es darum, kurzsichtiges und eindimensionales Sehen zu durchbrechen. Auf der Suche nach dem Heilsamen durchleuchtet er sprichwörtlich das System der „Menschheitskrone” von Martin Steinert und trifft auf Widersprüche. Ein Prolog des Kurators Peter Michael Lupp eröffnet das Werk.

Mensch – Heil oder Dorn der Schöpfung

Ein Video der Lichtinstallation vermittelt einen Eindruck des Werkes.

Das Werk thematisiert eine menschliche Weltengemeinschaft, die sich offenbar oder subtil als „Krönung“ der Schöpfung empfindet und mit einer Geste der Überheblichkeit gegenüber der Natur die Lebensgrundlage künftiger Generationen verdornt. Der künstlerische Prozess versucht die Dualität/Polarität der aktuellen weltethischen Grundierung und die scheinbare Ohnmacht, die sie auslöst, mit der Sprache der Kunst zu visualisieren.

Dornenkrone

Hauptschauplatz ist die katholische Kirche Maria Heimsuchung in Auersmacher. Vor Ort über dem Chor der Kirche korrespondiert ein Zitat einer Dornenkrone aus Holz und Licht mit Inhalten der Passion Christi und dem Credo der Laudato si‘ von Papst Franziskus. Ein öffentlicher Diskurs über die Eckpfeiler einer zukunftsfähigen Entwicklung unseres Lebensraumes begleitet den Prozess. Ein weiterer Schauplatz des prozessorientierten Werkes ist der benachbarte KulturOrt Wintringer Kapelle auf dem Wintringer Hof.

Dornenkugel

Das Bild einer Dornenkrone, die wuchernd unsere Erdkugel umschlingt und mit stetig nachwachsenden Dornen, unseren Lebensraum mit seinen einzigartigen Kostbarkeiten verletzt und ausbluten lässt, hat sich in mir als Metapher für den Zustand unseres Erdballs verfestigt. Die Umsetzung dieses Bildes in meiner mehrteiligen Arbeit soll jedoch nicht als Requiem für ein sterbendes Lebewesen verstanden werden, sondern als Appell für eine neue Wertschätzung unseres Planeten und seiner Ressourcen. Die Lichtkunst, die bei der Installation in der Kirche von Auersmacher zum Tragen kommt, mag dabei die flackernden Hoffnungsschimmer symbolisieren, die noch nicht gänzlich erloschen sind.

Bildhauer Martin Steinert zu den Beweggründen seiner künstlerischen Beiträge

Vier quadratische Bilder mit grafisch verfremdeten Ausschnitten der Dornenkrone

Das Werk gestaltet sich als mehrstufige Prozessarbeit, bei der die Betrachter mit einbezogen werden:

1. Hauptschauplatz

Kath. Kirche Maria Heimsuchung Auersmacher bis 1. Juni 2020
Eröffnung: 14. Februar 2020, 19 Uhr

Dornenkrone und -halbkugeln

2. Hauptschauplatz

KulturOrt Wintringer Kapelle
per annum MMXIX – MMXX

Wandlung

Nach Abschluss der Projektphase in Auersmacher ist ab Juni 2020 eine [Ver]wandlung der Dornenkrone in eine symbolische Erdkugel geplant, die auf dem Wintringer Hof am KulturOrt Wintringer Kapelle gezeigt wird. Dieser Vorgang zitiert den anstehenden Wandel der ethischen und ökologischen Gesinnung innerhalb der Menschheit, ohne den sie keine Zukunft haben wird. Ein Aussitzen und Nichtstun wäre zu viel für unseren Planeten: Nie war mehr Verursachung als jetzt und darum nie mehr Verantwortung für die zukünftigen Generationen.

Dornenkugel in der Wintringer Kapelle

Kunst lebt von der Fähigkeit das Gefüge der Welt mit anderen Augen zu sehen und neu zu vermessen.

Mit dieser Intension hat sich Martin Steinert mit der Zukunft der Schöpfung auseinandergesetzt. Zunächst sind Modelle aus Metall entstanden, um den drängenden Fragen ein Bild zu geben. Diese Modelle werden am KulturOrt Wintringer Kapelle ab Winter 2019 gezeigt.

Vor dem vermauerten Eingang der rechten Innenfassade sind Fragmente einer Erdkugel zu sehen, die von einer Dornenkrone auseinander gesprengt wurden. Ein verstörender Triptychon aus zwei Halbschalen, die von der Dornenkrone flankiert werden, verweisen auf den „Worst Case“ bei dem die kurzfristigen Interessen der gegenwärtigen Weltengemeinschaft ihren Nachkommen einen geplünderten und gespaltenen Planeten hinterlassen.

Demgegenüber spiegelt in der Nische der vermauerten Tür zur Sakristei eine Erdkugel die Vision einer ethischen Selbstvermessung und Neuorientierung der Menschheit, die auf ein heilsames, vernetzendes Miteinander aufbaut, das schließlich eine kulturelle Evolution bewirkt. Dieser heilende Transformationsprozess erinnert entfernt an den Vorgang der Wandlung in der katholischen Eucharistie-Feier, die in dem mittelalterlichen Kirchenraum über Jahrhunderte zelebriert wurde: Eine Geschichte der Heilung. Im christlich-religiösen Kontext wird bei dieser [Ver-]wandlung eine neue Wesentlichkeit verwirklicht. Das worauf es ankommt – das „Eigentliche“ – wird verwandelt in eine neue Wirklichkeit. Auf diese Wandlung möchte der vernetzte, entdorte Erdenkreis des Bildhauers anspielen.

Erdenkreis

Projektträger: junge bühne auersmacher Vorsitzender/künstlerischer
Leiter der Passionsspiele Auersmacher: Josef Lang, junge-buehne@t-online.de, www.junge-buehne-auersmacher.de
Kurator: Peter Michael Lupp, Kulturreferent Regionalverband Saarbrücken, peter.lupp@rvsbr.de
Projektpartner: Regionalverband Saarbrücken, Gemeinde Kleinblittersdorf, Großpfarrei Saarbrücken, Kirchenkreis Saar-West der Evangelischen Kirche im Rheinland, UNESCO-Biosphärenreservat Bliesgau, Wintringer Hof, KulturOrt Wintringer Kapelle

Wissen + Handeln. Eine engagierte Kunst inspiriert Lebensraum.

Martin Steinert + François Schwamborn

Kurzbiografien der Künstler

Martin Steinert

1959In Saarbrücken geboren
1979-81Ausbildung zum Bildhauer
1981-85Studium der Kunstgeschichte, Universität Saarbrücken
1984-87Führung einer Galerie für zeitgenössische Kunst, Saarbrücken
Seit 1988Freischaffender Bildhauer
1999-2007Atelier in der Alten Kapelle, Sulzbach
Seit 2009Atelier im KuBa
www.martinsteinert.net

François Schwamborn

1986In Saarbrücken geboren
2014Diplom im Fachbereich Media Arts and Design an der HBK Saar
Licht- und Animationskünstler
Freischaffender Künstler und Lehrbeauftragter an der HBK Saar
2015-17Leiter beim Projekt „Rotationen“

Schwerpunkt ­seiner künstlerischen Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Wahrnehmungsapparat des Menschen und dessen Grenzen

www.francois-schwamborn.com Dornenkrone

Papst Franziskus

Enzyklika Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus

Auszug

...Wenn sich der Mensch unabhängig von der Wirklichkeit erklärt und als absoluter Herrscher auftritt, bricht seine Existenzgrundlage selbst zusammen. Es wird keine neue Beziehung zur Natur geben ohne einen neuen Menschen...

14. Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber, sondern auch wegen der Interessenlosigkeit der anderen...

Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. Wie die Bischöfe Südafrikas sagten, „bedarf es der Talente und des Engagements aller, um den durch den menschlichen Missbrauch der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gutzumachen“. Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus...

Weitere Info: www.dbk.de/themen/enzyklika-laudato-si/